Montag, 22. März 2021

Tag des Wassers

No blue, no green. („Her Deepness“ Dr. Sylvia Earle, Taucherin, Meeresbiologin) 

Der 22. März wurde von der UNESCO als Tag des Wassers ausgerufen. Gedenktage gibt es inzwischen unzählige, nationale wie internationale. Der 20. März ist der Tag des Glücks (um einen anderen Wohlstandsmaßstab zu finden), der 21. März der Tag des Waldes (macht auf die globale Waldvernichtung aufmerksam), der 23. März der Tag der Meteorologie (an dem auf die grenzüberschreitende Rolle des Wetters erinnert wird). An solchen Tagen gibt es stets besondere Aktionen und Veranstaltungen. Allen gemeinsam ist, daß bestehende Probleme in den Fokus der Aufmerksamkeit gebracht werden sollen, oft auch die Erinnerung an etwas, das bereits vergangen ist und nicht in Vergessenheit geraten soll, wie z.B. der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, als Auschwitz befreit wurde. Es gibt so viele Gedenktage, daß sie im Grunde völlig beliebig sind - genau wie die Unmenge an Problemen, mit denen wir konfrontiert sind. Gedenktage sind stets Ausdruck unserer Hilflosigkeit, ein Aufruf zum Frieden mit etwas. 

Jetzt also der Tag des Wassers, des Elements, das unser Dasein so sehr bestimmt und daher keineswegs beliebig ist. Die UN verfassen einen jährlichen Wasserbericht, in dem betont wird, wie sehr weltweit der Wert des Wassers unterschätzt oder mißachtet wird:

"Those who control how water is valued control how it is used. Values are a central aspect of power and equity in water resources governance. The failure to fully value water in all its different uses is considered a root cause, or a symptom, of the political neglect of water and its mismanagement. All too often, the value of water, or its full suite of multiple values, is not prominent in decision-making at all.“ https://www.unwater.org/water-facts/ecosystems/

Unsere Erde, der blaue Planet, ist zu ca. 70% von Wasser bedeckt. Wir Menschen bestehen zu 60-75% aus Wasser. Ohne Wasser gäbe es kein Leben auf der Erde. Wasser bedingt uns, Wasser nährt uns, Wasser reinigt uns - und nicht nur uns, sondern alle Lebewesen, mit denen wir den Planeten teilen. Wasser ist ein erstaunliches Element: es kommt ganz natürlich in verschiedenen Aggregatzuständen vor, flüssig, fest (Eis) und gasförmig (Wasserdampf).

Es gibt nichts flexibleres als Wasser, es paßt sich an jeden Untergrund an und strebt danach, immer wieder zusammenzufließen. Zugleich besitzt es eine sanfte, aber stetige Kraft, die auch zu tödlicher Größe anwachsen kann. Wasser spendet Leben und zerstört Leben. Kein Wunder also, daß Wasser in allen Kulturen für heilig gehalten und als beseelt verehrt wurde. Es gibt unzählige Rituale der Wasserkulte, die die wilden Wesen des Wassers zu besänftigen suchen. Man wollte von ihnen genug Regen für eine gute Ernte erbitten, auch Schutz vor Schädlingen. Überschwemmung und Hagel drohten, wenn man die Wasserwesen an ihren heiligen Plätzen störte oder sie durch Verschmutzung ihres Elements verärgerte, wenn man den Boden aufbrach, um Häuser zu bauen oder Bodenschätze zu schürfen. Die Wasserwesen schickten in diesen Fällen auch schon einmal Epidemien über die Menschheit - aus buddhistisch-hinduistischer Sicht ist das Zeitalter der Epidemien, das gerade über uns hereinzubrechen beginnt, Zeichen des Zorns dieser Wasserwesen, deren Lebensraum wir Menschen nach Belieben und ohne Rücksicht verschmutzen, verbrauchen und zerstören.

Wer Frank Schätzings wissenschaftsbasierten Roman „Der Schwarm“ (2004) gelesen hat, der von der existentiellen Bedrohung der Menschheit durch eine intelligente maritime Lebensform handelt, wird darüber vielleicht schon einmal nachgedacht haben ..

Auch in Europa gab es noch in vorchristlicher Zeit einen Wasserkult, der in unserem Märchenschatz und unserer Mythologie weiterlebt: über die Quellen wachten Nymphen, in Teichen und Seen lebte ein ganzer Hofstaat von Wassermännern und Nixen, die so manchen Schatz dort in den Tiefen bewachten. Die Böden waren Wohnstatt von Göttinnen der Fruchtbarkeit und der Heilung, so mancher Felsen wurde von Zauberinnen bewohnt, in den Ozeanen herrschten neben den kriegerischen Meeresgöttern auch mächtige Sturm- und Wettergötter. Viele Tiere der Gewässer, Wale, Schlangen (Drachen), Frösche oder Schildkröten, aber auch manche Vögel waren als Verkörperung der Wasserwesen heilig und unantastbar.

Inzwischen haben wir es anscheinend nicht mehr nötig, die Wasserwesen anzurufen, und heilig ist uns nur noch unser Geld. Die Quellen wurden zubetoniert, die in ihrem Lauf veränderten, oft in ein künstliches Bett verlegten Bäche und Flüsse nutzen wir, um unsere Fäkalien und Industrieabwässer loszuwerden, die anschließend in den Meeren landen, auf die Böden kippen wir Gülle, Kunstdünger und Pestizide. 

Die Tiere der Gewässer, die sich vor der Verschmutzung nicht fliehen können, vergiften wir - oder wir beuten ihre einst reichen Bestände bis zu ihrer völligen Auslöschung aus. Die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die im Jahre 2000 pompös ins Leben gerufen wurde, um durch gemeinsame, zielstrebige Politik eine „gute Qualität“ der Land- und Küstengewässer wiederherzustellen, muß angesichts der mangelnden Bereitschaft der Staaten, von der bisherigen „Bewirtschaftung“ abzulassen, als gescheitert angesehen werden. Dies liegt wesentlich auch an der gesellschaftlichen Diskussion - im wasserreichen Europa ist man oft noch der Meinung, daß diese Ressource unbegrenzt zur Verfügung steht. Was für ein Irrtum ..

In dem Maße, in dem die Heiligkeit des Wassers preisgegeben wurde, entwickelte sich analog auch die Herabsetzung und Verachtung des Weiblichen. Kein Wunder, denn die Eigenschaften des Wassers und die Eigenschaften des heiligen Weiblichen sind dieselben - fließend, durchlässig, aufnahmebereit, anpassungsfähig, von sanfter, aber ausdauernder Kraft. In vorchristlicher Zeit verehrten die Menschen neben Sonne und Mond auch den Morgenstern, die Venus - auch dies eine heute vergessene Tradition, die Schöpfungskraft des Heiligen Weiblichen in uns allen zu achten. 

Das Christentum schaffte es nicht, die in der Bevölkerung tief verwurzelten Traditionen der Wasserkulte und des Göttinnenkults auszulöschen. Es erfolgte daher eine Assimilation, man wollte sich die Kräfte, die von diesen Orten ausgingen, zu eigen machen, um die Macht der Kirche zu steigern. Die bereits in vorchristlicher Zeit von den Menschen verehrten Quellen wurden häufig zu Orten der Marienverehrung, Klöster und Kirchen wurden über den Quellen erbaut, das Wasser wird bis in unsere Tage als Heilwasser vermarktet (z.B. in Kevelaer). In vielen Ortsnamen ist die Tradition noch erhalten (Marienthal, Mariabrunn, Marienborn, Marienbaum, Marienweiher, ..), sie sind weiterhin Ziel von Marienwallfahrten. Maria versinnbildlicht noch immer den Ort ultimativer Empfängnisbereitschaft, den Ort, an dem nicht nur Leben, sondern auch Weisheit empfangen werden kann. 

Es ist allgemein ersichtlich, daß wir beidem, dem Wasser wie auch dem weiblichen Prinzip, wieder ihre eigentliche Bedeutung zurückgeben müssen, wollen wir nicht durch unsere Aktivitäten zugrundegehen. 

Auch wenn wir angesichts der Größe und der Komplexität der Probleme schier verzweifeln mögen: Lassen wir uns ein auf das Prinzip des Wassers. Steter Tropfen höhlt den Stein, viele Menschen wollen nicht länger so weitermachen. Beginnen wir konkret, in unserem Haushalt, das Wasser zu achten. Verwenden wir es sparsam und bewußt. Verzichten wir auf Mineralwässer, deren Gewinnung, Herstellung und Transport Umweltschäden mit sich bringt. Ernähren wir uns bewußt - mit Nahrungsmitteln, die nicht von den Turbo-Äckern mit Maximalertrag stammen. Reduzieren wir unseren Fleischkonsum, achten wir die Schlachttiere, die ihr Leben für uns hergeben müssen. Für unsere Körperpflege, den Abwasch und die Hausreinigung nutzen wir Substanzen, die die Wasserwesen so wenig schädigen wie möglich. Seifen aus Lorbeer- und Olivenöl sind sehr hautverträglich und können gut auch zum Haarewaschen verwendet werden. Haare färbt man sehr schön mit Henna. Essig und Zitrone bringen gute Reinigungsergebnisse, und unsere Wäsche wird auch mit natürlichen Bleichmitteln (Natron) und Tensiden (Waschnuß) sauber. Setzen wir uns ein für eine Renaturierung von Flüssen und Bächen, für Schilfzonen an Seen statt Marinas, Golfplätzen und Strandbädern, fragen wir bei den Wasserwerken nach der Qualität unseres Trinkwassers über gesetzliche Grenzwerte hinaus (Mikroplastik wird z.B. bisher nicht erfaßt), machen wir Druck auf allen Ebenen .. sind wir die Lobby, die diese schädlichen und lebensverachtenden Praktiken endlich beendet. Brechen wir sie auf, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Hegemonie derer, die das imperiale Leben nicht aufgeben wollen und uns alle ins Verderben stürzen werden. Fassen wir uns ein Herz, schauen wir nicht länger weg!

„Wenn Du wahrhaftig bist, so hast Du im Herzen Gelingen und was Du tust, hat Erfolg.“ (zum Trigramm KAN / Wasser, aus dem I Ching, 1923 übersetzt von Richard Wilhelm).